Musikalische Zeitreise durch zwei Jahrhunderte

Musikkapelle Grafenhausen startete mit einem fulminanten Konzert ins Jubiläumsjahr

Kappel-Grafenhausen (afe). Die Musikkapelle Grafenhausen feiert 2024 ihr 200-jähriges Bestehen. Am Samstag starteten die Musiker mit einem überragenden Auftakt in dieses Jubiläumsjahr: Sie entführten die rund 400 Zuhörer nicht nur auf eine musikalische Reise durch bedeutende Epochen der letzten beiden Jahrhunderte, sondern begeisterten mit einer besonderen Programmauswahl, die einige Überraschungen bereithielt. Am Ende gab es Standing Ovations.

„Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt, dass man Schlange stehen muss“, stellte eine Zuhörerin erstaunt am Eingang der festlich geschmückten Festhalle fest. Es war ein klares Zeichen dafür, dass sich die Musikkapelle Grafenhausen innerhalb der letzten 200 Jahre zu einer wichtigen kulturellen Institution im Ort entwickelt hat, deren Jubiläumskonzert man auf keinen Fall verpassen wollte. Startpunkt war die Gründung am 27. Mai 1824, der Jahrhunderte voller Höhepunkte, schicksalhafter Wendungen und Herausforderungen folgten- „eine Reise, die durch die Kraft der Musik gehalten wird“, fasste die repräsentative Vorsitzende Luisa Sohm zusammen.
Diese Reise setzte der musikalische Leiter Steffen Jäger bei der Programmauswahl nun gekonnt in Konsens mit den großen Epochen der Weltgeschichte. Dies erforderte aufgrund der Facettenreiche eine präzise Vorbereitung der 51 Musiker. Viel Herzblut, Energie und Fleiß war daher in die Vorbereitungen geflossen, wie die Vorsitzende Gabriele Hertweck rückblickend wissen ließ. Die Mühen zahlten sich an diesem Abend aus, denn die Zuhörer wurden gemäß dem Motto „200 Jahre voller Ereignisse“ auf eine bunte und kurzweilige Zeitreise- gegliedert in drei Etappen- entführt, die vom Moderatorenduo Raphael Hägle und Helena Sauter versiert begleitet wurde. Elegant in Schwarz gehüllt eröffneten die Musiker den Konzertabend kraftvoll und energiegeladen mit der Fanfare „Rise oft he Firebird“.
Es war der Auftakt zum ersten Themenbereich „Freiheit durch Widerstand“. Mit der Rhapsodie Wendepunkte 1-9-8-9 spiegelten die Musiker alle emotionalen Gefühlslagen der Menschen in der ehemaligen DDR wider, von dem Drang nach Freiheit, der Unzufriedenheit bis hin zur friedlichen Revolution und der deutschen Wiedervereinigung. Den langen und mühseligen Weg bis zur Verabschiedung des US-Bürgerrechtsgesetzes 1960 zeichnete die Musikkapelle mit Hilfe des Stückes „Today ist the Gift“ nach, das unterschiedlichste Stilrichtungen sehr rhythmisch verband- untermauert von Zitaten dieser Zeit und begleitet von einem Gesangsensemble.
Das Gesangsquartett mit Franziska Braunstein, Laura Stork, Fabian Zepf, und Manuel Oesterle- allesamt aus der Hochschule Freiburg- ließen im Volkslied „Zogen einst fünf wilde Schwäne“ die volle Bandbreite ihre Stimmvielfalt erklingen- a cappela im mehrstimmigen Kanon. Aufgegriffen wurde auch das „Heckerlied“ aus der Badischen Revolution 1848, an dem auch der Grafenhausener Engel-Wirt Johann Nepomuk Winkler einst beteiligt war, bevor mit der Freiheitshymne „Die Gedanken sind frei“, ein gebührender Abschluss des ersten Programmteils geboten wurde. Beschwingt, fröhlich und stimmungsvoll ging die musikalische Reise weiter zu den „Helden unserer Kindheit“, in der die Zuhörer mit den Medleys aus den Disney-Filmen wie die Eiskönigin, das Dschungelbuch und die Unglaublichen, an einst vergessene und unbeschwerte Zeiten erinnert wurden.
Im dritten Programmteil widmeten sich die Musiker den „Meilensteinen der Menschheit“. Gerade hier bewiesen die Musiker und Dirigent Steffen Jäger nochmals mit Bravour ihr Können. Los ging es mit einer erlebnisreichen Fahrt mit der Dampflokomotive. Diese rollte rauschend, mal zischend und periodisch schlagend, mal ratternd und aufbrausend durch den Zuhörerraum, bevor die Zuhörer zum Thema Industrialisierung in eine Produktionshalle entführt wurden. Scheppernd, dröhnend und mit viel Bass erklangen die Geräusche der Stahlverarbeitung.
Doch wie hört sich Elektrizität an? Diese Frage beantworteten die Musiker eindrucksvoll: Zunächst leise zischend, unterfrequentiert brummend und knackend bis zum Aufbau der Hochspannung, die sich mit einem dumpfen Schlag entlud und plötzlich- war es dunkel in der gesamten Festhalle- ein Blackout. Vereinzelt leuchteten Taschenlampen auf, die mit den Musikern durch die Zuhörerreihen zogen auf der Ursachensuche, bis das Licht zurückkehrte und das Stück zu Ende gespielt werden konnte. Eine Revolutionierung war auch die Einführung des Films, damals noch in Schwarz-Weiß und ohne Ton.
Die Musikkapelle schlüpfte für das letzte Stück des Abends daher in die Rolle eines Kinoorchesters: Mit der präzisen Vertonung des Stummfilmes „Cops“ mit Buster Keaton gelang den Musikern der Höhepunkt des Abends: Fußgetrippel, das Platzen der Bombe, der Balanceakt auf der Treppe-all das fingen die Musiker musikalisch ein. Dafür gab es langanhaltende Standing Ovations vom Publikum, die mit einer erneuten Zugabe des Stummfilmklassikers belohnt wurden. Erst nach einer zweiten Zugabe, der gemeinsamen Darbietung mit dem Gesangsensemble des Stückes „The Sound of Silence“ wurden die Musiker von der Bühne entlassen.